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​Romeo Pianezzi - Modellbauer mit Leib und Seele ...

Bild und Text: Urs Häni und Martin von Meyenburg
Romeo Pianezzi

in seiner Werkstatt

Erinnern Sie sich noch an die berühmten Radrennfahrer Jean Roth und Armin von Bühren? Sie dominierten mit Partnern wie Walter Bucher und Hugo Koblet jahrelang die europäischen Sechstagrennen. Auch Romeo Pianezzi erinnert sich an das Duo, denn er absolvierte mit den beiden Sportikonen die Rekrutenschule als Radfahrer. Pianezzi hatte nicht minder austrainierte Wadenmuskeln. Während seiner Lehrzeit fuhr er täglich mit dem Fahrrad von Thalwil nach Zürich Oerlikon und zurück. Vier Jahre lang, Sommer und Winter, bei jeder Witterung, ohne Radfahrerwege und ohne Helm. Zürcher Leser mögen schon ins Schwitzen kommen, wenn sie an den Höhenunterschied zwischen der Limmat und dem Milchbuck denken. Auch wenn das Verkehrsaufkommen damals eher beschaulich war, bedurfte es einer nachhaltigen Willenskraft, um das Pensum zu bewältigen.
Nach dem Abschluss der Lehre als Elektromechaniker nahm er gleich jene als Maler und Spritzlackierer in Angriff. Das war in vielerlei Hinsicht eine gute Kombination, vor allem auch für seine Modellbaukarriere. Schliesslich bildete er sich zum Elektrotechniker weiter und gründete ein Unterehmen in der Beleuchungsbranche. Obwohl Pianezzi seit zwanzig Jahren seine Pension geniesst, besucht er das Untenehmen PIANEZZI-LEUCHTEN, welches seine Tochter weiterführt, noch regelmässig.
Trotz des beruflichen Engagements hat ihn der Modellbau immer begleitet. Zuerst konstruierte er ferngesteuerte Flugzeuge mit Graupner Technik und später baute er Schiffe mit echtem Dampfantrieb. Nebenher sammelte er Eisenbahnmodelle von Märklin in der Spurweite 0, bis er 1956 die H0-Palette derselben Firma schätzen lernte. Ein Jahr später entstanden seine ersten Eigenbaumodelle in den Spurweiten N, H0 und 0.

Schliesslich gründete er mit seinem Musikerkollegen Albert Steiner die Firma "Swisstoys". Nebenberuflich wohlverstanden und mit der festen Absicht, dem Mangel an Modellen nach Schweizer Vorbildern abzuhelfen.

... und wie Swisstoys entstand

Spur N
Zwischen 1964 und 1984 produzierte Swisstoys 53 verschiedene FS-, GB- und SBB-Güterwagen in Spur 0.
Die Spur N-Wagen von Swisstoys waren für Schweizer Modellbahner eine grossere Bereicherung,

Spur N
weil es Ende der Sechtiger Jahre nur wenige Güterwagen nach Schweizer Vorbildern gab. Die FS-Giebeldachwagen zeugen von Pianezzi's Affinität für  die Gotthardbahn. Auch die Epochenvielfalt der Palette war überzeugend.
In den fünfziger Jahren war die Auswahl an Schweizer Modelllokomotiven noch bescheiden. Märklin beispielsweise produzierte lediglich die Re 4/4 und das Krokodil. Pianezzi wollte unbedingt eine Be 4/6 der SBB beisteuern. Den Prototyp gab er einem Freund an die Nürnberger Spielwarenmesse mit, der dort Modellhäuser ausstellte. Unter anderen den Bahnhof Flüelen, zu dem die Be 4/6 hervorragend passte. Das Echo war ernüchternd - keine einzige Bestellung ist daraus hervorgegangen. Erschwerend kam dazu, dass sein Freund nicht in der gleichen Halle ausstellen konnte wie die grossen Modellbahnhersteller Märklin, Fleischmann und Trix.
     Wunder dauern in der Regel etwas länger. Tagsächlich gab nach sechs Monaten die erste Reaktion: 20 Be 4/6, bestellt von einem Herrn Hasler aus Algerien. Bald darauf kehrt Hasler in die Schweiz zurück und eröffnete in Zürich ein Modellbahngeschäft. Pianezzi produzierte gleich 100 Stk.. Ausgeliefert hatte er nach einem Jahr. Verkauft wurden hauptsächlich Wechselstromversionen von den damals noch zahlreichen Zürcher Modellbahngeschäften. Pianezzi war immer darauf bedacht, Baugruppen oder Bauteile der Modellbahnindustrie zu verwenden. Prompt fand er eine Märklin Dampflok, deren Antriebseinheit für die Be 4/6 passte. Auch für andere Fahrzeugtypen verwendete er Untergestelle von Grossserienherstellern, vor allem für die Lokomotiven. Die Gehäuse fertigte er fast immer aus Messing, ausser für die N- und einige H0-Wagen.
     Es war durchaus ein unternehmerisches Risiko, als er die Arburger Kunststoff-Spritzmaschine im Keller installierte. Er spritzte or allem Spur N-Güterwagen nach Schweizer Vorbildern. Die Werkzeuge dazu machte er selbst, schliesslich stand dazu ein umfangreicher Maschinenpark zur Verfügung. Er hatte über 100'000 Spur-N-Fahrzeuge hergestelllt. Zudem nutzte er eine kleine Tampondruckmaschine, um die Wagen professionell und sauber zu beschriften. Wohlverstanden, wir sprechen hier von einer Nebenbeschäftigung.
     Es ist ein Erlebnis für Auge und Ohr, wenn Pianezzi seine Geschichten erzählt. Etwa wie er die Alarmeinrichtung bastelte, die selbst im Schlafzimmer signalisierte, wenn der Granulatbehälter der Spritzmaschine leer war. Er sei dann im Pyjama in den Keller gehuscht und hätte den Behälter wieder nachgefüllt. Er strahlte:*Über Nacht sind so wieder rund 100 Gehäuse für Güterwagen entstanden".

Be 4/6
Die SBB  Be 4/6 war zwar der Grund für die Gründung von Swisstoys, aber im Laufe der  Zeit sind zahlreiche weitere Modelle in den Spuren N, H0 und teilweise 0 entstanden. Die Idee für den Sputnik entsprang aufgrund eines Baukurses, den Pianezzi im Horgener Modelleisenbahnclub leitete. Die RhB-ähnichen Fahrzeuge kreierte er aus Märklin-Rollmaterial für die Bernina Bahn-Anlage in Pontresina. Heute konzentriert er sich mehrheitlich auf den Bau seiner Spur 0-Modelle. Über die Jahre sind hauptsächlich Dampflokomotiven der Gotthardbahn entstanden. Darüber hinaus fertigte er für sich auch einige originelle H0-Triebzüge.
Die Typen und Stückzahlen von Swisstoys-Produkten wurden in Schweizer Fachzeitschriften ausführlich publiziert. Sie sind nur ein Teil von Pianezzis Leben, aber Swisstoys hat sein Leben nachhaltig mitgeprägt.
     Am Rande: Fast jeder Modellbahner weiss davon, aber nur wenige hatten die Anlage wirklich gesehen. Sie stand in der rund 600 Quadratmeter grossen Halle beim Bahnhof Pontresina. Das Thema war naheliegend. Die Fahrzeuge rollten auf Märklin Gleisen, was für die Darstellung der Berninabahn dem Massstab 1:60 entspricht. Sämtliches Rollmaterial hätte im Eigenbau entstehen müssen, denn es war kaum abzusehen, dass ein Hersteller den Stein für dieses heikle Thema anstiess. Tatsächlich gab es Modellbauer, die ein paar Lokomotiven in diesem Massstab herstellten - extra für diese Anlage. Die Halle war 50 Meter lang, un die Strecke wurde zweimal durchfahren. Von Pontresina bisTirano war jede Stration nachgebildet. Ein interessanter Fahrbetrieb verlangte nach entsprechend vielen Zügen. Das war mit Rollamterial im Eigenbau nicht mehr zu bewältigen.
     Pianezzi hatte ebenfalls am Aufbau dieser Anlage mitgearbeitet und Lokomitiven dazu hergerichtet. Einfach in Anlehnung an die Bernina-Bahn, aus Fahrzeugen von Märklin. Die Anlage war von 1960 bis 1973 für die Öffentlichkeit zugänglich (siehe LOKI 5/2008). Einige der Lokomotiven stehen heute noch in Pianezzis Keller und sind Zeugen, dass sie einmal Inhalt eines grossen Traumes waren.

Clubleben

Es wundert wohl kaum, dass Romeo Pianezzi den Kontakt mit Gleichgesinnten suchte. Der Zürcher Club entsprach aber nicht seinen Vorstellungen. Deshalb gehörte er 1958 zu den Gründungsmitgliedern des MECH (Modell Eisenbahn Club Horgen). Zu Beginn beschränkte sich das Clubleben auf monatliche Zusammenkünfte im Restaurant Schützenhaus. Aber schon 1960 wurde Pianezzi als erster Präsident des Clubs gewählt. Nun trafen sich die Mitglieder wöchentlich in einem ehemaligen Kohlekeller. 1962 leitete Pianezzi den ersten Baukurs für den "Sputnik" in Spur H0. Dieser Güterzugbegleitwagen gehörte später auch zu den Grundpfeilern der Swisstoys-Produktionen. Über 1000 Stück hatte er davon ausgeliefert.
     Mit Schmunzeln erinnert er sich an die Organisation und Durchführung der Modellbahnausstellung "Imoba", die vom 12. bis 15. März 1971 in Horgen stattfand. Sie stand für die erste und grösste international ausgeschriebene Modellbahnausstellung der Schweiz. Man habe ihn als grössenwahnsinnig eingestuft, als er in der Druckerei 10 000 Eintrittskarten bestellte. Als am Sonntag nochmals 5 000 Tickets organisiert werden mussten, galt er eher als Visionär. Sie seien von verschiedenen Vorkommnissen einfach überrumpelt worden, sagt Pianezzi und meint jene Erfahrungen, die jedermann macht, der zum ersten Mal etwas ganz Grosses wagt.
     Dem Aufruf, selbstgebaute Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, seien viele Modellbauer aus ganz Europa gefolgt. Die meisten Ausländer hätten die Modelle per Luftfracht geschickt oder selbst mitgebracht, welche dann beim Zoll in Kloten hängengeblieben seien. Wegen der teilweise hohen Wertangaben für die Exponate. Gesamthaft waren es 225 Werke aus Ländern wie Belgien, Dänemark, DDR, Deutschland, England, Luxenburg, Österreich, Schweden, Spanien, Ungarn und der Schweiz. Es sei nicht leicht gewesen die 100 000.00 Schweizer Franken aufzutreiben, die der Schweizer Zoll als Depotleistung forderte. Aber eine Asstellung ohne Modelle wäre wohl kaum erfolgreich gewesen.
Auch die Organisation der Vitrinen für die Ausstellungsstücke hätten sie sich leichter vorgestellt. Die Vitrinen seien weder im geeigneten Format noch in der gewünschten Anzahl verfügbar gewesen. Deshalb sei nichts anderes übrig geblieben, als sie selber herzustellen. Die Anforderungen waren damals schon hoch. Die Vitrinen mussten abschliessbar und beleuchtet sein.
     Romeo Pianezzi hätte noch viele Geschichten aus dem Clubleben zu erzählen. Etwa über die mehrfachen Wechsel des Clublokals, die Standortwechsel der Vorbildwagen, in denen das Clubleben teilweise stattfand, und dann noch die grosse Geschichte rund um die SBB Be 6/8 III 13302. Alleine darüber könnte man ein umfangreiches Buch schreiben. Neben seiner langjährigen Tätigkeit im MECH war Pianezzi auch über 20 Jahre in verschiedenen Funktionen für den Schweizerischen Verband der Eisenbahnamateure (SVEA) tätig. Im MECH ist er heute noch Ehrenmitglied.
     Doch was machte Romeo Pianezzi, wenn er seinem Unternehmen mal fernblieb, gerade keine Modelle für "Swisstoys" produzierte, keine Baukurse vorbereitete und keinem Modelleisenbahnclub vorstand? Richtig! Er betrieb Modellbau in Spur 0 - damals wie auch heute.

RhB
RhB
H0-Triebzug
Leidenschaft Modellbau

Romeo Pianezzi ist in Thalwil aufgewachsen. Im Raum Zürich absolvierte er auch seine Ausbildungen. Doch sein Name verrät unverkennbar, wo die ausgeprägte Lebensfreude und das Temperament herkommen. Sein Vater wurde in Vezia bei Lugano geboren. Als Kind war er aber auch öfters in Erstfeld in den Ferien - an der Hauptschlagader der Gotthardlinie. Welch umfangreiche Fahrzeugpalette muss Romeo von klein auf bis heute als mehrfacher Gross- und Urgrossvater gesehen haben? Vielleicht noch braune Krokodile, internationale Schlaf- und Speisewagen der CIWL sowie die legendären Reparations-Kohlezüge.
Seine private Modellauswahl spricht Bände: Er baute sämtliche Dampflokomotiven der Gotthardbahn, mit ein paar wenigen Asnahmen. Legendär ist sein Personenzug aus der Anfangszeit der berühmten Bahn mit den originellen Seitengangwagen. Pianezzi weiss: Es sei Bedingung gewesen, dass der Zug durchgenend begehbar gewesen sei. Es hätte noch lange nicht in jedem Wagen eine Toilette gehabt. Ein pikantes Detail: in den Erstklasswagen lag der Seitengang ausserhalb des Fahrgastraumes, damir die noble Gesellschaft nicht mit dem Fussvolk in Berührung kam. Die Modellversion war schon auf verschiedene Schweizer Spur 0-Anlagen zu sehen.
     Obwohl Pianezzi mit grosser Begeisterung von dem Bahnverkehr am Ende des neunzehnten Jahrhunderts erzählt, hatte er die Dampflokzeit am Gotthard nicht mehr erlebt. Aber als kleiner Junge konnte er 1939 die damals stärkste Lokomotive der Welt bestaunen, die unweit von Thalwil auf der Zürcher Landiwiese ausgestellt war. Die Ae 8/14 11852. Sie seien zu Fuss von Thalwil nach Wollishofen gelaufen und er hätte sogar den Führerstand besteigen dürfen.

Ae 8/14 11852
Ae 8/14 11852
galt damals als stärkste Lokomotive der Welt
     Diese Ae 8/14 konnte ebenfalls schon an zahlreichen Fahrbetrieben auf der Anlage der Reppischtaler Eisenbahn Amateure (REA) gesichtet werden. Ein Club, in dem Pianezzi ebenfalls seit Jahren mitmacht (www.reppischtaler.eisenbahn-amateure.ch). Zur Zeit hat er drei weitere Exemplare dieser Lokomotive in Arbeit.
     Für seine Spur 0-Fahrzeuge greift Pianezzi auch auf Bauteile zurück, die im Handel erhältlich sind. Gerne erinnert er sich an die Firma Leuthold, einst Mittem im Herzen von Zürich zu finden, die schon in den vierziger Jahren Messingprofile, Räder, Puffer und sogar Pantographen für die Spur 0 anbot. Die heutigen Lieferanten sind die üblichen "Verdächtigen", die in der Spur 0 Szene wohlbekannt sind. Aber notfalls kann er es auch selbst: Einst bat ihn ein Clubkollege darum, einen Puffer zu fertigen, den er an seiner Be 4/6 verloren hatte. Am nächsten Morgen stand Pianezzi vor seiner Haustür und brachte ihm gleich vier davon.
TEE Express-Reisezug
TEE Express-Reisezug
damals einer der elegantesten Züge der europäischen Bahngeschichte
     Romeo Pianezzi ist ein Mann der Tat. Den wohl elegantesten TEE-Zug der europäischen Bahngeschichte baute er zwischen Ostern und Pfingsten. Das sind in der Regel acht Wochen. Dabei erhielt er von Rohr lediglich die geätzten Bleche für die Wagenkästen, weil die Zurüstteile bereits ausverkauft waren. Selbst die Bleche musste er zuerst noch in Form bringen. Acht Wochen für das Besorgen oder Fertigen der Zurüstteile, für das Zusamenlöten, Lackieren, Inneneinrichten und Beleuchten. Den Antrieb musste er nachträglich noch ändern, weil der Zug mit den kleinen Motoren, die dafür vorgesehen waren die Steigungen der Reppischtaler Anlage nicht zu überwinden vermochte. Pianezzi löste schon grössere Probleme. Gerade am diesjährigen Farbetrieb des REA, der dem Thema "Gotthard" gewidmet war, schlängelte sich die sechsteilige Komposition elegant über die Bergstrecke.
     Pianezzi stand in verschiedenen Funktionen an unterschiedlichen Veranstaltungen mit Rat und Tat zur Seite, ob in Kursen oder als Mitglied einer Interessengemeinschaft. Seine Modelle mögen für viele Jugendträume Inspiration gewesen sein und sie erfreuten schon zahlreiche Männerherzen. Eine Einschätzung der Auswirkungen ist kaum möglich. Sene Eigenbaumodelle faszinieren auch heute noch jung und alt und wer ihm persönlich begegnen darf, spürt ein Temperatment, das im Süden unseres Landes noch zum Alltag gehört.
 
    Romeo Pianezzi erzählte neulich, sein Arbeitsrhythmus sei etwas langsamer geworden. Dabei lächelte er verschmitzt. Selbst wenn es so wäre: Leidenschaft und Temperament bleiben immer Ausdruck seiner Persönlichkeit


Gäbe es einen Oscar in der Sparte Modellbau, würde ich Romeo Pianezzi für sein "Lebenswerk" nominieren 
(Zitat: Roger Karpf SVEA)



Im Namen der ganzen Familie Pianezzi möchte ich mich  für die wunderbaren Fotos und umfassenden Zeilen bei Urs Häni und Martin von Meyenburg bedanken. Evelyne Lüscher-Pianezzi